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Sondersprache (Jargon)

(Info:) Um im Gedächtnis seiner Leser bleiben, kann ein Autor verschiedene Tricks anwenden: unverwechselbare Figuren, atemberaubende Handlungen und so weiter. Dahingehend ist der Einsatz von Sondersprache (Jargon) auch eine Möglichkeit, dies zu erreichen. Meister der außergewöhnlichen Worte ist indes Stephen King. Erfahren Sie hier, welche Möglichkeiten, welche Verbreitung, welche Wortarten und welche Stolperfallen es dabei gibt.

Sondersprache, Jargon, private Worte, Wortarten und Stolperfallen
Mindmap zu Sondersprache (Jargon).

Inhaltsverzeichnis

Sondersprache (Jargon)

Im Alltag begegnen uns Begriffe oder Bezeichnungen, deren Bedeutung wir aus dem Zusammenhang nur schwer oder gar nicht erkennen können. – Wissen Sie was »Atzel« oder »SUWAS« bedeuten? – Kurzum Worte, die nicht jeder versteht, nennt man Sondersprache, Soziolekt, Jargon, Slang, Fachchinesisch, Technolekt

Begriffserklärungen

  • Sondersprache = (Oberbegriff) eine Sprache, die einen nicht standardisierter Wortschatz enthält. Somit verstehen Menschen außerhalb einer abgegrenzten Gruppe diese Worte nicht.
  • Jargon = französisch jargon, wortmalend für »unverständliches Gemurmel«; Synonym für Sondersprache.
  • Slang = Synonym und englische Bezeichnung für Jargon, die sich von to slang out »hinauswerfen« ableitet. Gemeint ist damit die »Sprache der Herausgeworfenen« (Bettler, Unterschicht, Kriminelle).
  • Soziolekt = Sprachvariation einer Gesellschaftsschicht (Oberschicht, Unterschicht), wissenschaftlicher Begriff der Linguistik, abgeleitet vom Begriff »Dialekt«. Außerdem ist es ein Synonym für Sondersprache.
  • Technolekt = Fachsprache einer bestimmten Berufsgruppe. Überdies wird es auch als Fachlatein (Pfarrer, Ärzte, Apotheker) oder abwertend als Fachchinesisch bezeichnet.
    (Achtung:) Jedoch nicht zu verwechseln mit Jägerlatein oder Seemannsgarn, denn beides bezeichnen Übertreibungen oder gar Lügen.
  • Dialekt = aus dem Altgriechischen διάλεκτος diálektos »Gespräch, Diskussion, Redeweise, Mundart, Sprache« bezeichnet eine lokale oder regionale Sprachvariante.
  • Private Worte = (ein von mir geprägter Begriff) bezeichnet die Worte, die folgerichtig nur von einer Person oder einer (kleinen) Gruppe Eingeweihter verwendet werden.

Verbreitung von Sondersprachen

Private Worte, Fachbegriffe und Ähnliches werden in Erzählungen verwendet von …

  • einer Person (privater Gebrauch).
    (Tipp:) Eingeweihte verstehen die privaten Worte, benutzen Sie jedoch nicht selbst.
    • Meine Fresse, ja! (54-mal) und M-O-N-D und das buchstabiert man … (13-mal) sagt die geistig behinderte Figur Tom Cullen als Bekräftigung oder Bestätigung des vorher Gesagten.
      [Stephen King – The Stand – das letzte Gefecht]
  • einer Gruppe (lokal oder einer Gemeinschaft mit gleichem Interesse, Beruf ect.).
    (Tipp:) Durch die Sondersprache (Wortwahl) kann der Leser eine noch nicht eingeführte Figur sofort als Mitglied einer Gemeinschaft vom Leser erkennen.
    • Die Begriffe Raptor (lateinisch Raptor = Plünderer, hier Raubvogel) und hupia (südamerikanische Nachtgeister, die Kinder entführen) erwähnen die einheimischen Costaricaner im Prolog mehrfach.
      [Michael Crichton – Dino Park (engl. Jurassic Park)]
  • vielen Personen einer Region (Dialekt).
    • »Manntje, Manntje, Timpe Te, / Buttje, Buttje in der See, / myne Fru, de Ilsebill, /will nich so, as ik wol will.« sagt der Fischer auch in der hochdeutschen Version des Märchens »Der Fischer und seine Frau«.
      [Brüder Grimm – Volks- und Hausmärchen]

      (Tipp:) Wenn Sie Dialekt in einer Erzählung verwenden, die von allen verstanden werden soll, dann benutzen Sie weniger Dialektworte, sondern folgen Sie mehr den Satzmelodien und Besonderheiten des Dialekts. Wolf Schmidt hat meiner seiner TV-Serie »Die Firma Hesselbach« und in den zugehörigen Büchern gezeigt, wie man es geschickt macht. Der neuhessischen Regiolekt, der von Schmidt verwendet wurde, ist von allen Deutschen zu verstehen, folgt jedoch unter anderem der Regeln, dass im Hessischen bei Verben statt -en nur -e gesagt/geschrieben wird. Gell, da guckste de?
  • allen Figuren in der Erzählung (Terminologie, Fachbegriffe in der Erzählwelt).
    • Die Begriffe Bezirzen, Fangbanger, True Blood stammen aus der Buchreihe »Sookie Stackhouse« von Charlaine Harris, die als TV-Serie unter dem Titel »True Blood« erschien. Menschen und Vampire kennen gleichermaßen diese (Fach-)Begriffe, die Teil der Erzählwelt sind.

Außergewöhnliche Worte in Erzählungen

Ein Autor erschafft Figuren und Handlungen. Er formt diese mithilfe von Worten. Warum also nicht mit außergewöhnlichen Worten arbeiten? Also mit Worten, die sich wie ein Bild in das Gedächtnis der Leser brennen.

Stephen King ist Meister der privaten Worte. Nachfolgende eine Auswahl von privaten Worten aus dem Roman »Love« (engl. »Lisey’s Story«) aus dem Jahr 2006:

  • Babylove, Blut-Bool, Bösmüll, Bösmülligkeit, Boo’ya-Mond, Bool-Jagd, Inkunkabilla, Inkunks, Lecker-Baum, Long Boy, Nichtstauger, schmicken, Schmickeramas, Schwesternding, SUWAS (schnall’s um, wenn’s angebracht scheint), Wörter-Pool.
    [Stephen King – Love]

Der Reiz privater Worte

(Frage:) Was macht nun den Reiz der privaten Worte aus?

  • Durch die privaten Worte wird der Leser Teil einer Geheimgesellschaft, die aus dem Autor, seinen Figuren und eben dem Leser besteht. Dagegen können Außenstehende mit den Begriffen nichts anfangen.

Welche Wortarten können als private Worte genutzt werden?

(Frage:) Welche Wortarten kommen in den privaten Worten aus »Love« vor?

  • Kosenamen wie oben »Babylove« oder Spitznamen wie oben »Long Boy« benutzen wir zum Teil unbewusst auch im Alltag.
  • Kinderworte (Worte aus der Kinderzeit), die sich ins Erwachsenenalter retten konnten, wie oben »Bösmüll« oder »Lecker-Baum« sind schon seltener.
  • Akronyme wie oben »SUWAS« finden wir heute im Jugend- oder Internet-Jargon.
  • Metapher wie oben »Wörter-Pool«, (siehe:) den Beitrag »Bilder, Metaphern, Vergleiche und Personifikationen«, sollten bei einem guten Autor selbstverständlich sein.
  • Fantasienamen wie oben »Boo’ya-Mond« sind manchmal sogar der Titel eines Romans, wie »Solaris« von Stanisław Lem von 1961.

Bekräftigung oder Bestätigung des vorher Gesagten

Floskeln

Ich für meinen Teil / meine / sag’ mal / würde glauben / würde meinen / würde sagen …,
im Grunde …, in der Tat …, in gewisser Weise …, ja nun …, kein Thema …, nicht wirklich …, nichtsdestotrotz …, nie und nimmer …, nullproblemo …, Ok …, Okay …, Okodoki …, quasi …, regelrecht …, schlichtweg …, selbstredend …, so was von …, Sozusagen …, Sprich …, unter Umständen …, voll und ganz …,
Wenn man so will / Sie mich fragen / Sie so wollen …,
Wie geil ist das denn? Wie gesagt …, Wissen sie …, und andere mehr.

Interjektionen (Ausrufworte)

Achja, Achnee, Ah, Aha, Aua Au, Bäh, Bitte, Boah, Brrr, Donnerwetter, Dz dz, Ey, Frischauf , Geil, Genau, Hä, Häh, Haha, Hallo, He, Heda, Hehe, Hey, Hm, Hmm, Höh, Hoppla, Huch, Hui, Hurra, Husch, Igitt, Ja, Kuckuck, leider, LOL, Mann o Mann, Meine Fresse, Meine Güte, Mensch, Mhm, Mist, Mmmh, Na ja, Na toll, Nun, Ogottogott, Oh, Oh Gott, Oh je , Ohje, Oje, Olala, Pah, Peng, Pfui, Pssst, Psst, Puh, So, So so, Tatsächlich, Tja, Ts ts, Uff, Ups, Verdammt, Was, Wie bitte und andere mehr.

Stolperfallen mit privaten Worten

(Frage:) Was gilt es bei eigenen privaten Worten in einer Erzählung zu vermeiden?
(Checkliste:)  Nutzen Sie einfach die folgenden vier Leitfragen:

  • Unbenutzt? Prüfen Sie, ob dieses noch frei und sich nicht bereits bei anderen Autoren findet.
  • Unverbraucht? Ist das private Wort frisch und neu, oder nur ein Klischee (mittlerweile veraltete, abgenutzte oder überbeanspruchte Formulierungen) ist.
  • Angemessen? Passt das private Wort zur Situation und besonders zur Figur?
  • Nur für Eingeweihte? Das private Wort sollte in der Gruppe, in der es benutzt wird, möglichst bleiben.
    (Achtung:) Es macht einen merkwürdigen Eindruck, wenn ein Außenstehender, der vorher kein Kontakt zur besagten Gruppe hatte, deren private Worte benutzt. Leider findest sich dieser Fehler in so manchem Roman wieder, weil der Autor in das Wort zu verliebt und der Lektor es übersehen hatte.
  • Geben Sie nur einer Nebenfigur (!) ein oder maximal zwei Formulierungen der Bekräftigung oder Bestätigung des vorher gesagten (Floskeln oder Interjektionen); mehr würde ein Leser nicht ertragen. Selbstredend, meine Fresse, ja!

Fazit

Sondersprache (Jargon), also private Worte können eine Erzählung oder Roman bereichern und dazu beitragen, dass das Werk dem Leser im Gedächtnis bleibt.

Nachtrag

»Atzel« ist der hessische (mainfränkische) Name für den Vogel Elster und im Vordertaunus verbreitet zum Beispiel als »Atzelberg«.

(Ende.)